Keyboard, E-Piano, Klavier oder Flügel?

Autor und Lehrer:

Patrick

Liebe Freunde der Klaviermusik!

Viele Klavierbegeisterte tragen sich schon lange mit dem Gedanken, Klavier spielen zu lernen, und oft wurde dieser lang gehegte Wunsch dabei bis ins Erwachsenenalter verschoben.

Das Problem: Ein neues Klavier ist eine tolle, aber auch eine teure Sache.

Die gute Nachricht: Um als Anfänger mit dem Klavierlernen zu starten, ist es absolut nie zu spät!

Da natürlich nicht nur in der Klavierstunde selbst gespielt, sondern auch zu Hause geübt werden soll, stellen sich sofort die Fragen:

  • Kaufen oder mieten?
  • Muss es ein teueres Klavier oder sogar ein Flügel sein, oder genügt für den Anfang ein E-Piano oder Keyboard?

Um euch bei der Entscheidungsfindung für eure persönliche Situation zu helfen, habe ich im Folgenden eine Reihe von nützlichen Tipps und Hinweisen zusammengestellt.

  • Kauf. Man kann direkt einen neuen Flügel (ab ca. 6000 €), ein neues Klavier (ab ca. 3000 €), ein E-Piano (ab ca. 700 €) oder ein Keyboard (ab ca. 200 €) kaufen.
  • Gebrauchtkauf. Oder man entscheidet sich für den Kauf eines gebrauchten Instrumentes.
  • Miete. Alternativ mietet man erst einmal ein Instrument zum Reinschnuppern.

Auf den ersten Blick scheinen sich die akustischen und elektronischen Tasteninstumente zu ähneln. Beide haben schwarze und weiße Tasten in ungefähr der gleichen Größe. Auf den zweiten Blick und beim Hören und Spielen gibt es allerdings eine Menge Unterschiede. Auch ist nicht jedes Instrument für das jeweilige Wohnumfeld und die eigenen musikalischen Fortschritte angemessen.


Wertvolle Ratschläge für die richtige Entscheidung:
Keyboard, E-Piano, Klavier oder Flügel?


1. Flügel, Konzertflügel, Salonflügel, Stutzflügel …

Der Flügel zeichnet sich durch seine waagerechte Korpusform aus, die dem Flügel eines Flugtieres ähnelt. In allen großen Konzerthäusern und kleineren Konzertsälen dieser Welt sind Konzert- bzw. Salonflügel anzutreffen. Kleinere Salonflügel und Stutzflügel eignen sich allerdings auch für das ambitionierte Spiel im eigenen Heim.

Der Flügel hat einen runden, ausgewogenen und sehr obertonreichen Klang und bietet dem Spieler alle Voraussetzungen, um seine Musik, seine musikalische Sprache individuell und ausdrucksstark formen zu können. Um es zu seiner klanglichen Entfaltung zu bringen, braucht das Instrument ausreichend Raum, welcher sich nicht an der reinen Stellfläche bemisst.

Die Preisspanne eines neuen Flügels erstreckt sich vom oberen 4-stelligen bis hin zum 6-stelligen Bereich, da sie in verschiedenen Größen und Qualitätsstufen angeboten werden. Bei einem gebrauchten Flügel liegen die Anschaffungskosten zwar niedriger, allerdings sollte man mögliche Reparations- bzw. Restaurationskosten mit einkalkulieren.

Vorteile
  • toller, ausgewogener und sehr obertonreicher Klang
  • bietet die Voraussetzung für sämtliche spieltechnischen Finessen
  • sehr repräsentatives Aussehen
  • Verarbeitung von hochwertigen Materialien

Nachteile
  • teuer bis sehr teuer in der Anschaffung
  • fortlaufende Kosten für Klavierstimmung und kleinere Reparaturen
  • professioneller Transport bei Umzügen ist zwingend
  • ausreichend Raum
  • nicht für hellhörige Häuser und Wohnungen geeignet


2. Ein Klavier, ein Klavier, ein Klavier …

Ein Klavier erkennt man auf den ersten Blick. Im Gegensatz zum Flügel sind die Saiten hochkant angebracht und das Klavier kann dadurch platzsparend an die Wand gestellt werden. Aus diesem Grund werden meist Klaviere im eigenen Heim bevorzugt.

Wie auch der Flügel so hat das Klavier einen ausgewogenen und obertonreichen Klang und bietet dem Spieler sehr gute Möglichkeiten, einen individuellen Ton zu formen und der Musik dadurch Ausdruck zu verleihen.

Der Unterschied zwischen Opas altem und einem fabrikneuen Klavier ist allerdings riesig. Bei einem neuen Instrument liegen die Anschaffungskosten im mittleren 4-stelligen bis ordentlich 5-stelligen Bereich. Ein gebrauchtes Instrument erhält man günstiger. Allerdings sollten auch hier mögliche Reparations- bzw. Restaurationskosten durch einen Klavierbauer abgeschätzt werden.

Vorteile
  • gar nicht weit vom Flügelklang entfernt
  • bringt alle Voraussetzungen für das Erlernen von spieltechnischen Fertigkeiten mit (differenzierte Anschlagskultur, …)
  • in heutigen Instrumenten kommen hochwertige Materialien zum Einsatz

Nachteile
  • nimmt immer noch einigen Platz in Anspruch
  • fortlaufende Kosten für Klavierstimmung und kleinere Reparaturen
  • professioneller Transport bei Umzügen ist angeraten
  • bedingt für hellhörige Häuser und Wohnungen geeignet


3. E-Piano, Stagepiano, Homepiano, Digitalpiano …

Durch unterschiedliche Hersteller werden viele verwirrende Begriffe für das Instrument geprägt. Wir sprechen hier von jenem elektrischen Piano, welches immerhin die Andeutung eines Korpus hat und dadurch dem äußeren Erscheinungsbild eines Klavieres nahekommt. Es ist allerdings wesentlich schlanker gebaut. Dadurch ist es leichter und kann besser transportiert werden.

In den letzten Jahren hat sich insbesondere bei den E-Pianos einiges getan. Das Anschlagsgefühl wird durch Hammermechanik und gewichtete Tasten teils sehr gut simuliert. Es gibt ein drittes Pedal, welches bewirkt, dass nur bestimmte Töne ausgehalten werden, während alle anderen »trocken« klingen. Die Sounds (Klavierklänge) werden von großen Konzertflügeln gesampelt. Selbst Obertöne sind deutlich zu hören und lassen sich sogar einstellen. Auch kann klanglich zwischen verschiedenen Flügeln, Klavieren und anderen Instrumenten gewählt werden.

Dennoch erlauben die vorgefertigten Klangsamples der günstigen Modelle lediglich ein dynamisches Spiel (laut oder leise) und dem Spieler bleibt nur eine eingeschränkte Möglichkeit, seine musikalische Sprache durch einen individuellen Anschlag zu finden und zu gestalten. Auch wenn ein E-Piano niemals das Spielgefühl eines echten Klavieres erreicht, wer es als dauerhaften Ersatz anschaffen möchte, sollte deutlich tiefer in die Tasche greifen (mindestens 2500 €).

Vorteile
  • enthält oft zusätzliche Klänge von weiteren Tasteninstrumenten, z.B. Orgel, Cembalo oder Honky-Tonk-Klavier
  • keine laufenden Kosten (außer Strom)
  • kann stumm geschaltet und über Kopfhörer gespielt werden, deshalb für hellhörige Häuser und Wohnungen geeignet
  • gut zu zweit zu transportieren

Nachteile
  • Preise im unteren bis mittleren 4-stelligen Bereich
  • nur die besseren Modelle haben einen obertonreichen Klang und ermöglichen eine individuelle Tonformung


4. Silent- bzw. Hybridklavier

Silentklaviere verbinden die Welt der akustischen Klaviere mit der der E-Pianos. Im Kern handelt es sich um ein »ganz normales« Klavier mit Mechanik, Saiten und Resonanzboden, das zusätzlich mit einer Stummschaltung und einer elektronischen Klangerzeugung ausgestattet ist. Wird der Silent-Modus aktiviert, stoppen die Hämmer vor den Saiten, Sensoren lesen die Tastenbewegung aus und der Klang wird als hochwertiges Samplesignal über Kopfhörer wiedergegeben.

Damit habt ihr zu Hause zwei Instrumente in einem: ein vollwertiges Klavier für den akustischen Klang und ein »leises« Instrument, wenn Mitbewohner, Nachbarn oder kleine Kinder schlafen. Gerade in Mietwohnungen oder in sehr hellhörigen Häusern kann ein Silentklavier ein guter Kompromiss sein, wenn ihr auf das Spielgefühl eines echten Klaviers nicht verzichten wollt.

Es gibt ab Werk gebaute Silentklaviere, aber auch Nachrüstsysteme, die von einem Fachbetrieb in ein vorhandenes Klavier oder sogar in einen Flügel eingebaut werden können. Preislich liegt ein Silentklavier in der Regel über einem vergleichbaren »normalen« Klavier, dafür spart ihr euch oft Diskussionen mit den Nachbarn und könnt zu sehr unterschiedlichen Tageszeiten üben.

Vorteile
  • volles Spielgefühl und Klang eines akustischen Klaviers im Normalbetrieb
  • bei Bedarf stumm schaltbar und über Kopfhörer spielbar – ideal für hellhörige Wohnungen
  • häufig zusätzliche Funktionen wie verschiedene Klaviersounds, Metronom oder Aufnahmefunktion
  • auch als Nachrüstung für viele vorhandene Klaviere und Flügel möglich

Nachteile
  • höherer Anschaffungspreis als bei einem vergleichbaren Klavier ohne Silent-System
  • zusätzlich zur regulären Klavierpflege können im Laufe der Zeit auch elektronische Komponenten gewartet oder repariert werden müssen
  • das Instrument bleibt so groß und schwer wie ein normales Klavier – also nichts für häufige Transporte
  • Nachrüstsysteme sollten unbedingt von einem Fachbetrieb eingebaut werden, nicht jedes alte Instrument eignet sich gleich gut dafür


5. Keyboard, Master-Keyboard, Synthesizer …

Auch bei Keyboards gibt es wirklich große Unterschiede. Die Bandbreite reicht vom billigen Plastikkeyboard mit bunten Knöpfen und wenigen Tasten bis zum Masterkeyboard, wie es auch in Tonstudios und bei Filmmusik eingesetzt wird.

Entscheidend ist beim Keyboard als Instrument für Klavieranfänger die möglichst wirklichkeitsnahe Simulation des Klavierspielgefühls. Leider werden nicht in allen Keyboards Hammermechanik und gewichtete Tasten verbaut, und viele Keyboards haben auch weniger als 88 Tasten.

Vorteile
  • lädt zum Experiementieren ein, wenn viele Sounds mitgeliefert werden
  • kann auch über Kopfhörer gespielt werden, deshalb für hellhörige Häuser und Wohnungen geeignet
  • keine laufenden Kosten (außer Strom)
  • Preise im mittleren bis hohen dreistelligen Bereich
  • gut alleine zu transportieren

Nachteile
  • manche Modelle haben keine Klänge „an Bord“ und brauchen einen Computer, Laptop oder ein zusätzliches Soundmodul
  • nur die besseren Modelle haben einen obertonreichen Klang und ermöglichen eine individuelle Tonformung


Wenn ihr also eine eigene Klangsprache entwickeln wollt, dann solltet ihr euch mit einem akustischen Instrument anfreunden.

Oft wird gefragt: Reicht nicht auch einfach das alte Klavier von Opas Dachboden?

Wenn es in brauchbarem Zustand ist, ja! Wenn es komisch und verstimmt klingt, lieber einen Klavierbauer fragen! Unter Umständen sind 2000 € besser in die Restauration eines alten Klavieres investiert, als in ein E-Piano. Als Leitsatz für die individuelle Arbeit könnt ihr euch merken: Ein schlechtes Klavier ist besser als ein gutes E-Piano.

Wenn ihr aber in eine musikalische Welt eintauchen wollt, in der ein eigener Ton keine große Rolle spielt, dann seid ihr mit einem E-Piano oder Keyboard bestens bedient. So könnt ihr auch mit kleinem Budget direkt auf einem geeigneten Keyboard Musik machen und braucht den Klavierspielwunsch nicht aus rein finanziellen Gründen immer wieder weiter zu verschieben.

Wenn ihr den Kauf eines Instruments scheut, weil ihr euch selbst nicht sicher seid oder ihr euch nicht sicher sein könnt, ob eure Kinder auch dabei bleiben werden, dann solltet ihr euch überlegen, ob ein Leihinstrument für den Anfang eine Lösung ist.

Grundsätzlich gilt:

  • Ein akustisches Instrument (Klavier, Flügel) muss regelmäßig gewartet werden, was zusätzliche Kosten verursacht.
  • Ein elektronisches Instrument (Keyboard, E-Piano) braucht keine Wartung oder besondere Pflege.

Ein Geiger sucht sich seine Geige aus, indem er auf ihr spielt. Ein Gitarrist findet sein Instrument auf dieselbe Weise. Eigentlich ist das bei fast allen Instrumentalisten so, auch bei Klavierspielern. Sie »erspielen« sich ihr Instrument. Deshalb ist bei Online-Bestellungen Vorsicht geboten! Macht einen Termin aus, fahrt hin und testet das Instrument auf Herz und Nieren!

E-Pianos und Keyboards hingegen könnt ihr auch locker online bestellen, da nicht viel Individualität durch maschinelle Herstellung bleibt.

Immer wieder erlebe ich im Unterricht Schüler, die sich ärgern, gerade besprochene tonbildende Fertigkeiten zu Hause auf dem elektrischen Instrument nicht umsetzen bzw. üben zu können. Sprichwörtliche Frustration macht sich breit und der Wunsch, sich ein »richtiges« Klavier anzuschaffen, gewinnt an Bedeutung: »Ach, hätte ich das doch gleich gemacht!«
Deshalb kann ich als Klavierlehrer jedem Anfänger nur dringend empfehlen, sich ein schönes Klavier zu besorgen, damit das zu Lernende auch lange Spaß machen kann.

Ich selbst arbeite mit einem Silentklavier. So kann ich mich um meine Tonsprache kümmern oder es stumm schalten und über Kopfhörer Notentext lernen, wenn ich meine Mitmenschen nicht stören will. Im E-Piano-Modus hat das Fehlen von Individualität im Anschlag tatsächlich auch den Vorteil, dass ich an meiner Vorstellung für die Musik arbeiten kann.

Habt ihr noch Fragen? Dann stellt sie in den Kommentaren!

7 thoughts on “Keyboard, E-Piano, Klavier oder Flügel?

  1. Wir haben einen sehr alten Flügel bei uns im Keller und wollen jetzt umziehen. Es ist gut zu wissen, dass ein Flügel nicht für hellhörige Häuser geeignet ist. Wir werden versuchen einen Ankauf zu finden damit wir den Flügel loswerden können.

  2. Wir haben einen Flügel und wollten diesen bei einem Umzug in Eigenregie mitnehmen. Das Resultat: Mehrere Beschädigungen, die uns einige hundert Euro an Reparatur kosten werden. Beim nächsten Mal werden wir diese Aufgabe einem Profi überlassen. Nur mal so als Warnung für diejenigen, die vielleicht vor der selben Ausgabe stehen.

  3. Hey Markus, du sagt es, wenn so was beim Umzug beschädigt wird ist das ein sehr uncoole Sache und kann bei einem hochwertigen Flügel wirklich ins Geld gehen. Darum sollte man sich da wirklich an einen guten Umzug-Service wenden, der genau mit solchen voluminösen Instrumenten wie Klavier oder Flügel Erfahrung haben.

  4. Toller Beitrag! Unser Sohn hat vor einem Jahr angefangen Klavier zu spielen und vor kurzem sind wir umgezogen. Wir haben super Profis zur Hilfe geholt. Das Team vom Umzugscenter Haefeli hatte genau die richtigen Verpackungsmaterialien und Konte den Flügel hervorragend in unser neues Zuhause transportieren.
    War eine super Erfahrung. Super Team.
    https://www.umzugscenter-haefeli.ch/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert